Filmkritik zu „Wenn das Licht zerbricht“: Hochdramatische Kinoreise aus Island

In einen leuchtend orange-goldenen Rahmen fasst Regisseur Rúnar Rúnarsson sein melancholisches Drama „Wenn das Licht zerbricht“: Sonnenaufgänge stehen am Anfang und am Ende seines Films und entfalten im frühsommerlichen Island eine eigene Pracht. Dazwischen liegen 24 Stunden erzählte Zeit und 80 kompakte Filmminuten, in denen Rúnarsson die Gefühle nach dem abrupten Verlust einer ersten, großen Liebe unter die Lupe nimmt.
Zu Beginn sitzen Una (Elín Hall) und Diddi (Baldur Einarsson) in den ersten Sonnenstrahlen, die sich nahe Reykjavik aus dem Meer zu erheben scheinen. Die beiden studieren an der Kunsthochschule, spielen gemeinsam in einer Band und sind seit Kurzem ein Paar, wovon niemand etwas weiß. Doch nun soll mit der Heimlichtuerei Schluss sein.
Heute wird Diddi in seinen Heimatort fliegen und sich von seiner langjährigen Freundin Klara (Katla Njálsdóttir) trennen. Doch am Morgen ereignet sich im Tunnel zum Flughafen eine schreckliche Brandkatastrophe. Zahlreiche Menschen kommen ums Leben, darunter auch Diddi. Im Vorraum des Krankenhauses, wo Una zusammen mit Diddis Bruder Gunni (Mikael Kaaber) vom Tod ihres Geliebten erfährt, liegen sich die Menschen weinend in den Armen. Una weiß allerdings nicht, wie sehr sie ihre Trauergefühle zeigen darf.
Schon bald reisen Diddis Freunde und auch Klara an, alle ahnen nichts von der heimlichen Affäre. Einen ganzen Tag verbringt die Gruppe miteinander, besucht gemeinsam einen Trauergottesdienst, stößt in der Stammkneipe auf den Verstorbenen an und feiert schließlich eine melancholische Abschiedsparty im Elternhaus eines Freundes.
Immer deutlicher wird, dass Una ihre schmerzhaften Verlustgefühle nicht länger verbergen kann. Auch Klara beginnt zu ahnen, dass Una für Diddi mehr als nur eine Kommilitonin war. Doch Klara verfällt nicht in Eifersucht: Die beiden jungen Frauen fühlen sich in ihrer Trauer zueinander hingezogen.
Mit einer fast schon magischen Präzision und Empathiefähigkeit reist Rúnarsson in „Wenn das Licht zerbricht“ durch die aufreißenden Gefühlslandschaften seiner Figuren. Elín Hall, die hier mit Kurzhaarschnitt und burschikosem Outfit die Hauptfigur spielt, erweist sich als Entdeckung.
Die Zwischentöne, mit denen sie die unterdrückte Trauer ihrer Figur verkörpert, halten die Spannung des Films von der ersten bis zur letzten Minute. Hall verkörpert eindringlich das Lebensgefühl einer 20-Jährigen, in der die euphorische Freude am Aufbruch durch einen plötzlichen Verlust ausgebremst wird.
Die jungen Menschen sind gänzlich unerfahren im Umgang mit dem Tod. Sie drohen von ihren Gefühlen hinweggerissen zu werden und versuchen gleichzeitig, sich gegenseitig Halt zu geben. Mit „Wenn das Licht zerbricht“ ist Rúnarsson eine hochdramatische und gleichzeitig kontemplative Kinominiatur gelungen.
„Wenn das Licht zerbricht”, Regie: Rúnar Rúnarsson, mit Elín Hall, Katla Njálsdóttir, Baldur Einarsson, 80 Minuten, FSK 12
rnd